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Unzulässigkeit des "Gutachterverfahrens vor Psychotherapien"

aus strafrechtlichen Gründen

Dr. med. Argeo Bämayr, Coburg
Fachartz für Neurologie und Psychiatrie - Psychotherapie -

Dieser Beitrag erschien gekürzt in Heft 6/2001 im "PsychotherapeutenFORUM" und soll hier einem breiteren Leserkreis von Psychotherapeuten, Patienten, Krankenkassenmitarbeitern und Juristen bekannt gegeben werden. csk

Vorbemerkung vom 29. Mai 2003: Bei beihilfeberechtigten Patienten und ihren Familienangehörigen findet de facto keine Anonymisierung der Berichte statt. Die Gutachter bekommen von den Behörden stets Unterlagen mit den Klarnamen dazu. Dieses betrifft mehrere Millionen Menschen: sämtliche Beamten und Richter und ihre Angehörigen.

Strafrechtliche Unzulässigkeit des "Gutachterverfahrens"

Das jährlich bei ca. 150.000 Patienten durchzuführende "Gutachterverfahren vor Psychotherapien" im gesetzlichen Krankenversicherungssystem des Sozialgesetzbuch V (SGB V) tangiert vielfältige Straftatbestände, insbesondere aber die Verletzung von Privatgeheimnissen" nach dem Strafgesetzbuch (StGB) § 203.

So wie jeder ärztliche Eingriff am Patienten grundsätzlich eine Straftat der Körperverletzung (StGB § 223) darstellt, die dem Erlaubnisvorbehalt des Patienten unterliegt, stellt auch eine Datenoffenbarung durch den ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten eine Straftat der "Verletzung von Privatgeheimnissen" (StGB § 203) dar, die ebenfalls dem Erlaubnisvorbehalt des Patienten unterliegt.

Der Erlaubnisvorbehalt des Patienten bedarf zwingend einer rechtswirksamen Entbindung von der Ärztlichen Schweigepflicht, widrigenfalls eine Straftat nach dem Strafgesetzbuch vorliegt, die mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft wird.

In Ermangelung einer rechtswirksamen Entbindung von der Ärztlichen Schweigepflicht ist das "Gutachterverfahren" vor Psychotherapien (SGB V § 92 Abs 6a Satz 1) für Langzeittherapien (LZT) und Kurzzeittherapien (KZT) anhand der Psychotherapierichtlinien (PTR) (Abschnitt F Punkt III Abs. 1 und 2 in der Fassung vom 11.12.1998) mittels eines "ausführlichen Berichts für den Gutachter" entsprechend der Psychotherapie-Vereinbarung (PTVb) (Anlage 1 BMV-Ä bzw. EKV-Anlage 1, § 11 Abs. 5) über die Krankenkasse an einen zunächst unbekannten Gutachter aus strafrechtlicher Sicht unzulässig.

Sollten der Patient und dessen Angehörige in Erfahrung bringen, welche intimen persönlichen und familiären Inhalte ein dem Patienten unbekannter Gutachter und all zu häufig auch nichtärztliche Krankenkassenangestellte personenidentifizierbar über den "ausführlichen Bericht an den Gutachter" zur Kenntnis gelangt sind, wird sich kein Psychotherapeut in einem Strafprozess vor der Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht entlasten können.

Verfahrensablauf des Gutachterverfahrens

Der hochsensible Bereich der Psychotherapie erfährt ein gigantisches bürokratisches Regelwerk mit 13 verschiedenen Vordrucken, wie es ansonsten in keinem medizinischen Bereich der vertragsärztlichen Versorgung existiert. Das Dienstexemplar der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns umfasst betreffend die PTR 27 Seiten und die PTVb je 27 weitere Seiten für die Grundkassen (BMV-Ä) und Ersatzkassen (EKV-Anlage 1).

Jede Psychotherapie erfordert danach obligat für Langzeittherapien und eingeschränkt für Kurzzeittherapien ein Antragsverfahren (PTVb § 11) im Rahmen des sogenannten "Gutachterverfahrens". Danach hat der behandelnde Psychotherapeut einen "ausführlichen Bericht für den Gutachter" zu verfassen, der den psychischen Intimkern des Patienten und dessen eigene Biographie im Kontext zu allen familiären Intimitäten inklusive einer Differentialindikation und Psychodynamik zu beinhalten hat. Vereinfacht dargestellt beschreibt dieser Bericht einen "Seelenstriptease" des Patienten, den man nur noch mit Videoaufnahmen sexueller Praktiken in unverschwommener Großaufnahme vor gynäkologischen und urologischen Behandlungen vergleichen kann, wobei nur die Gesichtzüge, wie beim unbezahlten Pay–TV, verschwommen sind, sich aber relativ mühelos durch eine Spiegelung oder simple Dechiffriermaschine entzerren lassen.

Die Antragstellung erfolgt mittels 1 von 11 vorgegebenen und als PTV (Psychotherapievordrucke) deklarierten Vordrucken entsprechend PTVb § 15 Abs 1 in nicht anonymisierter Form. Der "Bericht für den Gutachter" ist in einem vom Psychotherapeuten verschlossenen roten (PT 8) oder gelben (VT 8) Umschlag zur Weiterleitung des Berichts an den Gutachter, äußerlich chiffriert mit den Anfangsbuchstaben des Familiennamens und dem korrekten Geburtsdatum (z. B. A 250253) bei der Krankenkasse einzureichen. Dem Gutachter dürfen entsprechend PTVb § 12 Abs. 9 sowohl vom behandelnden Therapeuten als auch von der Krankenkasse nur solche Unterlagen zur Verfügung gestellt werden, auf denen die Personaldaten des Patienten anonymisiert sind. Die Krankenkasse reicht den Umschlag mit dem "Bericht an den Gutachter" in ungeöffnetem Zustand mit weiteren von der Krankenkasse chiffrierten Aufträgen und Angaben an einen Gutachter weiter, welcher die Formalien (Indikation, Prognose, Art des Verfahrens usw.) entsprechend dem "Gutachterverfahren" (PTVb § 12) prüft und in Form einer Beurteilung der Krankenkasse sein Prüfergebnis übermittelt, ob der Psychotherapeut den anbehandelten Patienten weiterbehandeln darf oder nicht (PTVb § 13).

Im Versagensfalle sieht der Verfahrensweg nach Einspruch durch den Patienten eine Oberbegutachtung unter gleichen Chiffrierbedingungen vor (PTVb § 13 Abs 4). Ein eventuell anschließendes Sozialgerichtsverfahren kennt keine Chiffrierung und keine Anonymisierung. Die Intimsphäre des Patienten wird öffentlich seziert, der Patient (ein weiteres Mal ?!) traumatisiert.

Erkenntnistiefe und bürokratischer Ablauf des Gutachter-verfahrens lassen systemimmanent keinen effektiven Datenschutz zu

Unbestritten berührt der "Bericht an den Gutachter" eklatant die Persönlichkeitsrechte des Patienten im Hinblick auf seine "informationelle Selbstbestimmung" und betreffend das Gutachtenurteil die "selbstbestimmte medizinische Behandlung" entsprechend dem Grundgesetz Art 1 und Art 2 Abs 1 und 2.

Während das Gutachterverfahren den Patienten hinsichtlich der "selbstbestimmten medizinischen Behandlung", z. B. alternativ in Form von einer Arzneimittelverordnung oder einer Gesprächsbehandlung, komplett entrechtet, lässt man dem Patienten die Pseudowahl, das "informationelle Selbstbestimmungsrecht" wahrzunehmen, indem er die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht zu erteilen hat, widrigenfalls die Psychotherapie nicht genehmigt wird.

Offensichtlich ist selbst der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen als Verantwortlicher für die Psychotherapie-Richtlinien, rechtssystematisch unter Ausschluss des Patienten, nicht so sehr von einer funktionierenden Wirksamkeit der Chiffrierung und "Pseudoanonymisierung" überzeugt. Würde diese nämlich funktionieren, bedürfte es nämlich keiner Schweigepflichtentbindung, wie sie auf dem Formblatt PTV 1, "Antrag des Versicherten auf Psychotherapie", zwingend anhand der Psychotherapie-Vereinbarung vorgeschrieben ist. Tatsächlich ist die Gefahr der personenidentifizierbaren Offenbarung der Intimdaten der Patienten aber eher die Regel als die Ausnahme.

In der wissenschaftlichen Studie von Köhlke berichten 200 von 640 antwortenden Vertragsärzten (31 %), dass sie selbst schon Verletzungen des Datenschutzes im Gutachterverfahren beobachtet haben (Dr. Hans-Ulrich Köhlke, Dipl.-Psych, Ass. Jur., Psychotherapeut: Das Gutachterverfahren in der Vertragspsychotherapie, eine Praxisstudie zu Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit, dgvt-Verlag, Tübingen, S.126–128, S 134-136).

Der Gutachter und Psychoanalytiker Professor Blomeyer berichtet in "Neuro Date Aktuell", Ausgabe 8/94:

"Ich bekomme in rund 30 Prozent aller chiffrierten Fälle die Klarnamen auf die sinnigste und unsinnigste Weise mitgeliefert. Interessierte sind eingeladen, mal einen Stapel eingehender Post daraufhin durchzusehen." (zit. n. Helmut Cullmann: Das Gutachterverfahren in der Vertragspsychotherapie, Kritische Bemerkungen zur Einschränkung von Verfassungsrechten, in: Integrative Therapie 4/1997, Junfermann Verlag, S. 529).

Neben der versehentlichen oder bewussten Öffnung des für den Gutachter bestimmten Umschlags durch unerfahrene oder neugierige Krankenkassenangestellte sind auch beigelegte Kur-, Reha- und Krankenhausberichte oder MDK-Empfehlungen durch das Arztpersonal oder die Krankenkasse verantwortlich für die Personenidentifikation des Patienten. Aber selbst bei kompletter Einhaltung des datenschutzrechlich extrem störanfälligen Verfahrens ist die Re-Identifizierung durch den Gutachter problemlos aufgrund der grundsätzlich im Antragsverfahren vorliegenden Angaben möglich: Geburtsdatum, Anfangsbuchstabe des Familiennamens, Geschlecht (Patient, Patientin), Wohnort (Sitz des Vertragsarztes), Biographie inklusive Familienanamnese, soziale Daten wie Personenstand, Beruf usw.

Wie viele verheiratete Englischlehrer mit zwei Kindern mit dem Anfangsbuchstaben E im Familiennamen des Jahrgangs 1950 gibt es in einer Stadt mit 50000 Einwohnern? Die unproblematische Re-Identifizierung der Patienten beweist sich z. B. anhand des Gutachtens von Professor Dr. Wilhelm Gaus, klinische Dokumentation, Ulm, betreffend anonymisierte Datensätze zur Abrechnung kassenzahnärztlicher Leistungen vom 4. August 1995 im Auftrag der kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung.

Der völlig unzureichende, praktisch nicht existierende Datenschutz im Gutachterverfahren verstößt damit eindeutig gegen die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Nichtannahmebeschluß vom 29. November 2000, Az. 1 BvR 630/93, wonach gilt:

"... Dementsprechend hängt auch die Beantwortung der Frage der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der ärztlichen Diagnoseübermittlungspflichten nicht allein von der sicher zutreffenden Einschätzung ab, dass diese Angaben höchstpersönliche und sensible Daten eines Erkrankten betreffen, dass ihr Gebrauch auf das unverzichtbare Mindestmaß zu beschränken ist und dass jeder Missbrauch praktisch auszuschließen sein muss."

Bezieht sich dieser Beschluss "nur" auf die Diagnose und nicht auf weitere Daten über intime Lebensgeschichtliche, die psychische Verfassung, Sexualität usw., so geht das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil noch viel weiter, wonach "unzumutbare intime Angaben" weder "erhoben" noch gesammelt werden dürfen (BVerfGE 65, 1, 46).

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Ernst Benda, stellt hierzu fest (Ernst Benda, Privatsphäre und "Persönlichkeitsprofil", in: Menschenwürde und freiheitliche Rechtsordnung, Festschrift für Willi Geiger, Tübingen 1974, S. 23 (31)):

"Je stärker das private Handeln dem engsten Intimbereich zuzurechnen ist, desto überzeugender müssen die Motive sein, die der Staat für sein Informationsbedürfnis anführen kann."

Der Bundesdatenschutzbeauftragte kritisiert im Bericht des Datenschutzbeauftragten 4/97 Nr. 21.2 "Umfangreiche Datenerhebung im Psychotherapieverfahren":

" Aus meiner Sicht birgt dieses Verfahren strukturell die Gefahr einer zu umfangreichen, nicht an den Grundsätzen der Erforderlichkeit orientierten Datenerhebung. Denn die beantragenden Therapeuten versuchen oftmals durch umfassende Angaben zu vermeiden, dass ihr Antrag abgelehnt wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 1993, S. 2365) stehen psychologische Befunde dem unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung noch näher als rein medizinische Feststellungen, so dass bei der Erhebung psychologischer Befunde in besonderem Maße der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und Minimierung von Datenerhebungen zu berücksichtigen ist."

Eine Entbindung von der Ärztlichen Schweigepflicht kann im Rahmen des Gutachterverfahrens nicht rechtwirksam werden

Die bisherigen Einlassungen zum real nicht existierenden Datenschutz im Gutachterverfahren wären überflüssig, würde eine rechtswirksame Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht vorliegen. Eine derartige rechtswirksame Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht existiert weder, noch wird sie im psychiatrisch/psychotherapeutischen Bereich aufgrund der eingeschränkten Einsichtmöglichkeit seitens des Patienten in die Krankenakte jemals zu erfüllen sein.

Eine konkludente (eine bestimmte Schlussfolgerung zulassende) Einwilligung in die Weitergabe der Intimdaten, bedingt durch die Antragstellung, konstruiert nicht einmal der Richtlinienausschuss, ersichtlich daran, dass die PTVb auf den vorgeschriebenen Vordrucken, z. B. PTV 1, die schriftliche Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht für das Gutachterverfahren zwingend vorschreibt:

"Ich erkläre mich damit einverstanden, dass der Arzt und der hinzugezogen Psychotherapeut die zur Prüfung des Antrages notwendigen Angaben, insbesondere zur Feststellung der Erkrankung, vorangegangenen Behandlungen und Begutachtungen und zur Wahl des Behandlungsverfahrens, der Krankenkasse und ggf. der begutachtenden Stelle erteilen."

Die ärztliche Schweigepflichtentbindung des Patienten erfolgt entsprechend dieser Vorschrift unter Aufhebung des Kriteriums der "Freiwilligkeit" gezwungenermaßen.

Diese unfreiwillige Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht beinhaltet dabei in sich den Kern des Vertrauensbruchs zwischen Therapeut und Patient, da dem Patienten im Rahmen des Erstkontakts zwangsläufig vorenthalten wird, dass sein „Seelenstriptease" im Falle einer anschließenden Psychotherapie nicht beim Therapeuten verbleibt, sondern für ein Gutachten verwendet wird.

Weder der Therapeut noch der Patient können beim Erstkontakt wissen, ob aus dem Erstkontakt eine Psychotherapie resultiert, und würde der Patient über die Möglichkeit aufgeklärt, dass sein „Seelenstriptease" in einen gutachterlichen Schriftverkehr bei extrem störanfälligen Datenschutz einmündet, dann entstünde sofort eine Barriere für eine vertrauensvolle Arzt-Patient-Beziehung, die eine adäquate Beurteilung einer Psychotherapiebedürftigkeit und die Psychotherapie selbst erheblich erschweren, wenn nicht gar zum Scheitern bringen würde.

Zusätzlich zur Unfreiwilligkeit der Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht kann der Patient aber auch noch gar nicht wissen, über welche subtilen und intimen Inhalt er überhaupt entbindet, da zum Zeitpunkt seiner Antragstellung der "Bericht an den Gutachter" mit einer Fülle von subjektiven Werteinschätzungen betreffend z. B. den psychischen Befund, die Psychodynamik, die Prognose usw. regelmäßig noch gar nicht erstellt ist. Die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht kann also folglich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht rechtswirksam sein, da sie auf die Zukunft gerichtet ist.

Ein Bezug auf die Mitwirkungspflicht des Patienten kann ebenfalls nicht greifen, da diese bei der körperlichen und psychischen Unversehrtheit endet. Das Recht auf körperliche Selbstbestimmung ist gleichzusetzen mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, und so wie ein Patient das Recht hat, eine Untersuchung mittels Magenspiegelung durch einen Gutachter abzulehnen, so hat der Patient auch das Recht, eine "Seelenspiegelung" mit all seinen Höhen und Abgründen abzulehnen, ohne dass ihm dies zum Nachteil gereichen darf, und schon gleich gar nicht im Hinblick auf eine Ablehnung einer medizinisch erforderlichen Therapie.

Noch entscheidender für die fehlende Rechtswirksamkeit der ärztlichen Schweigepflichtsentbindung ist jedoch die Tatsache, dass nach gefestigter Rechtsprechung eine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht nur dann rechtswirksam ist, wenn der Patient über den Inhalt voll informiert ist, worüber er entbindet. Rieger fasst diese gefestigte Rechtsprechung im „Lexikon des Arztrechts" 1. Auflage unter RZ 764 wie folgt zusammen:

"Es ist ein unter Ärzten weitverbreiteter Irrtum, sie müßten in jedem Fall umfassend offenbaren, wenn sie der Patient von der Schweigepflicht entbunden hat. Diese Wirkung hat die Entbindung keineswegs immer. Die Einwilligung geht nur soweit, wie die Kenntnis des Einwilligenden reicht. Nur darauf kann sich seine Einwilligung erstrecken. Soweit es sich also um eigene Mitteilungen des Patienten an den Arzt handelt, ist dieses Wissen vorhanden. Bezüglich solcher Wahrnehmung aber, die der Arzt im Laufe seiner Untersuchungen und Behandlung macht, kann es daran fehlen. Es gibt Fälle, in denen eine wirksame Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht schon deshalb nicht möglich ist, weil das Wissen des Patienten die fraglichen Tatsachen nicht umfaßt. Da es keine ärztliche Verpflichtung zur rückhaltlosen Aufklärung des Patienten in jedem Fall gibt (siehe Rz 882) und die Entscheidung darüber solange beim Arzt liegt, als der Patient nicht von sich aus auf die rückhaltlose Offenbarung der "ganzen Wahrheit" besteht, muß es auch dem Arzt überlassen bleiben, ob und was er im Falle der Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht aussagen kann (so vor allem Göppinger - NJW 1958 S.241ff. .....). Es bedarf deshalb auch im Falle der Einwilligung des Patienten zur Offenbarung einer gewissenhaften Prüfung des Arztes, ob und in welchem Umfang er aussagen kann."

Die eingeschränkte Kenntnis des Patienten trifft insbesondere im psychiatrischen und psychotherapeutischen Bereich zu, wonach, höchstrichterlich anerkannt (BGH, NJW 1985 S. 474 ff.), Patienten kein Einsichtsrecht in die Krankenakte zusteht, soweit die Einsicht über objektivierbare Befunde hinausgeht, da dies für den therapeutischen Prozess kontraproduktiv, also schädlich sein kann.

Dies trifft im "Bericht an den Gutachter" insbesondere für den psychischen Befund (Punkt 4 des Infoblatts) und die Psychodynamik der neurotischen Erkrankung (Punkt 6 des Infoblatts), aber auch für die Diagnose zu, soweit diese einer subjektiven Wertung und keiner Tatsachenbehauptung entspricht (BGH Urteil vom 23.2.1999 - VI ZR 140/98). Die drei Informationsblätter sind als Hilfsmittel zur Abfassung der "Berichte an den Gutachter" erstellt worden und umfassen 9 bis 11 Punkte mit entsprechend vielen Unterpunkten:

z. B. Infoblatt 1 für tiefenpsychologisch fundierte Therapie bei

Erwachsenen

1. Spontanangaben des Patienten ...

2. Kurze Darstellung der lebensgeschichtlichen Entwicklung...

2.a Familienanamnese

3. Krankheitsanamnese ...

4. Psychischer Befund zum Zeitpunkt der Antragstellung ...

5. Somatischer Befund ...

6. Psychodynamik der neurotischen Erkrankung ...

7. Neurosenpsychologische Diagnose zum Zeitpunkt der Antragstellung ...

8. Behandlungsplan und Zielsetzung der Therapie ...

9. Prognose der Psychotherapie ...

z. B. Infoblatt 3 für tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie bei

Kindern

7. Schilderung der familiären Situation (Eltern/Beziehungsperson)

Noch weiter gehen die Orientierungshilfen zur Abfassung des "Berichts an den Gutachter" im Lehrbuch der Psychotherapie von Klußmann (S. 243-245) bis hin zur "Charakterisierung der frühkindlichen Beziehungspersonen und ihres Verhältnisses zum Patienten" und bis zur "sexuellen Entwicklung und Partnerschaft" inkl. des "1. Koitus".

Die Mitteilung der Familienanamnese (Punkt 2a des Infoblatts 1 bzw. Punkt 7 des Infoblatts 3) stellt durchgängig einen Straftatbestand dar, da hier regelmäßig keine Entbindung von der Ärztlichen Schweigepflicht vorliegt und auch in der Praxis aus datenschutzrechtlichen Gründen scheitern muss.

Der Patient kann seine Familienangehörigen nicht rechtswirksam von der Ärztlichen Schweigepflicht entbinden, da es sich dabei um persönlich zustehende Rechte der Familienangehörigen handelt, die der Patient nicht stellvertretend wahrnehmen kann.

Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen können ohne Entbindung von der Schweigepflicht seitens des Patienten keine Entbindung bei den Familienangehörigen einholen, da allein schon die Mitteilung der Tatsache, dass sich der Patient in einer (noch dazu psychiatrisch/psychotherapeutischen) Behandlung befindet, die Schweigepflicht verletzt, besonders wenn der Patient eine derartige Behandlung vor seinen Familienangehörigen, z. B. im Falle einer Inzestproblematik, (zunächst noch) geheim halten möchte.

Weder ist eine derartige Entbindung seitens des Patienten zumutbar, noch würde gegebenenfalls eine Rechtspflicht seitens der Familienangehörigen bestehen, eine Entbindung von der Schweigepflicht zu erteilen, wenn sie selbst keine Leistungen in Anspruch nehmen.

Ganz davon abgesehen, wäre eine derartige Entbindung nicht rechtswirksam, solange Familienangehörige gar nicht wissen, über welche zu offenbarenden Inhalte sie überhaupt entbinden.

Das hohe strafrechtliche Gefährdungspotential im Falle einer fehlenden Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht dokumentiert sich besonders drastisch im "Supervisionsurteil" des Bayerischen Obersten Landgerichts von 1995, "wonach die Offenbarung eines Geheimnisses gegenüber einem selbst Schweigepflichtigen im Rahmen einer Supervision den Tatbestand der Schweigepflichtsverletzung nach § 203 Strafgesetzbuch erfüllt, wenn der Betroffene nicht ausdrücklich eine Schweigepflichtsentbindung abgegeben hat (Cullmann, a.a.O. S.524-534).

Würde ein Durchschnittsbürger über den Inhalt des Berichts entsprechend dem Informationsblatt vor dem Beginn einer Psychotherapie, sowie über die häufigen Datenschutzverletzungen bei Antragstellung aufgeklärt, würde jeder gesunde Bürger entsetzt einer Weitergabe seiner Daten widersprechen. Dies trifft nach meiner Erfahrung auch für die Mehrzahl psychisch Kranker zu. Nur extrem Leidende lassen dieses Verfahren, wenn sie erst einmal über den mangelhaften Datenschutz aufgeklärt sind, notgedrungen, aber zusätzlich traumatisierend, über sich ergehen, wie sich auch die Mehrzahl der Psychotherapeuten nur aus wirtschaftlicher Existenznot diesem missbrauchenden Verfahren unterwerfen, letztere dabei sogar die Gefahr in Kauf nehmend, sich an der strafrechtlich bewehrten Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht zu beteiligen, bzw. diese billigend in Kauf zu nehmen.

Gelten für das Obergutachten im Ablehnungsfalle die gleichen strafrechtlich relevanten Gefahren, wenn der Patient die Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht zur Anzeige bringt, so potenziert sich diese Gefahr im Falle einer sozialgerichtlichen Überprüfung so gewaltig, dass nun der Psychotherapeut zum Gegner des Patienten werden kann, wenn z. B. strafrechtlich relevante Fehlverhaltensweisen des Patienten durch den "Bericht an den Gutachter" angesprochen werden oder gar das Sozialgericht Strafanzeige gegen den Patienten oder dessen Angehörige erheben muß.

Zuhauf finden sich Inzest, Vergewaltigungen in oder außerhalb der Ehe, Drogenmissbrauch, Drogenhandel, Kleptomanie, Schwangerschaftsabbrüche, Betrügereien, seltener Pädophilie, Kindstötung, Mordgedanken und jede Menge weitere seelische Abgründe wie außereheliche Beziehungen, sexuelle Perversionen, Alkoholismus, Suizidversuche usw. beim Patienten selbst oder dessen Familienangehörigen, die schlicht und ergreifend in keinem Schriftverkehr und nichts außerhalb der Praxis des Psychotherapeuten zu suchen haben, nach Meinung der Krankenkassen, kassenärztlichen Vereinigung und Gutachter aber unabdingbar sind, um voll ausgebildete und vertragsärztlich zugelassene Ärzte und Psychotherapeuten entwürdigend unter dem vorgeschobenen Deckmantel einer Qualitätssicherung und/oder Wirtschaftlichkeitsüberwachung kontrollieren zu können.

Gerade der Psychotherapeut hat eine Funktion, die einem Seelsorger im Beichtstuhl gleichkommt. Das Vertrauensverhältnis zwischen Psychotherapeut und Patient kann nur funktionieren, wenn sich der Patient der Ärztlichen Schweigepflicht so sicher ist, wie der Katholik des Beichtgeheimnisses.

Ein systematischer Etikettenschwindel missbraucht den Patienten und den Psychotherapeuten

Sowohl die Patienten als auch die Psychotherapeuten werden dabei von dem mafiösen System missbraucht, das sich psychotherapeutische Gutachter in Eintracht mit den Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen geschaffen haben. Unter der strafrechtlich relevanten Nötigung, die Psychotherapeuten an der Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht mit zu beteiligen, wird den Psychotherapeuten auferlegt, an einem gigantischen Etikettenschwindel mitzuwirken.

Der vom behandelnden Psychotherapeuten erstellte Bericht erfüllt alle Voraussetzungen eines "Gutachtens" (Köhlke a.a.O. S.57), wird aber offiziell etikettiert als "Bericht" und trotz eines Zeitbedarfs von ca. 4 Stunden (Köhlke a.a.O. S.46-56) mit dem kalkulierten Punktevolumen von 1400 Punkten für 1 Stunde entsprechend niedrig dotiert.

Die dem behandelnden Psychotherapeuten (= Berichtersteller) zustehende gutachterliche Entlohnung kassiert statt dessen der von den Kassenärztlichen Vereinigungen ernannte Gutachter, der aber in Wahrheit das Gutachten des behandelnden Psychotherapeuten lediglich als "Richter" beurteilt, zumal den Krankenkassen zwar formal die Entscheidung obliegt, die Beurteilung des "Gutachters" in Ermangelung eigener Einsichtsrechte aber grundsätzlich anerkennen. Die als Gutachten falsch etikettierte Beurteilung umfasst im Regelfall nicht mehr als 3 Sätze und lässt alle Kriterien einer sorgfältigen Begutachtung vermissen. Dies ist nicht verwunderlich, findet die Begutachtung doch ausschließlich nach Aktenlage statt, ohne an eigene erhobene Tatsachen kausale Interpretationen anzuknüpfen, wie dies grundsätzlich für Gutachten erforderlich ist, um überhaupt formal als Gutachten anerkannt werden zu können.

Der Entzug der gutachterlichen Honorierung, die ungerechtfertigt dem Gutachter zugesprochen wird, stellt eine Ausbeutung dar, die alle Voraussetzungen des Wuchers erfüllt:

"In einem Strafverfahren hatte der Bundesgerichtshof 1997 entschieden, daß die Beschäftigung eines Arbeitnehmers zu unangemessenen niedrigem Lohn Wucher sein kann. § 291 Strafgesetzbuch lautet: "Wer die Zwangslage, die Unerfahrenheit et cetera eines anderen dadurch ausbeutet, daß er sich oder einem Dritten für seine sonstigen Leistungen Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung ... stehen, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft ...". (104. Deutscher Ärztetag, TOP II: Ausbeutung junger Ärztinnen und Ärzte, Raus aus dem Jammertal, DÄB, Jg.98, Heft 22, 1.Juni 2001, Seite A 1448)

Die Kassenärztlichen Vereinigungen akzeptieren und vertreten dieses mafiöse Verfahren, obwohl das Kassenarztsystem den Grundsatz kennt und überwacht, dass ärztliche Leistungen nur honoriert werden dürfen, wenn sie persönlich erbracht worden sind.

Dieser hochgradig betrugsverdächtige Etikettenschwindel großen Stils, der sich der strafrechtlich relevanten Nötigung der Psychotherapeuten zur Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht und der Ausbeutung der Psychotherapeuten, sowie der Entrechtung des Patienten hinsichtlich seines informationellen Selbstbestimmungrechts im "unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung" bedient, ist sicher von hohem Interesse für die Schwerpunktstaatsanwaltschaften im Bereich der Wirtschaftskriminalität bzw. im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung, zumal hier nach Auffassung von Krankenkassenmitgliedern Mitgliedsbeiträge in Höhe von ca. 24 Millionen DM pro Jahr (Köhlke a.a.O. S.118) für ein völlig unnötiges, unwirtschaftliches, unzweckmäßiges und strafrechtlich unzulässiges Gutachterverfahren veruntreut werden.

Die Nötigung des Psychotherapeuten zur Verletzung des Berufsgeheimnisses

Zusammenfassend setzt sich der Psychotherapeut anhand seines "Berichts an den Gutachter" einer erheblichen Gefahr aus, sich wegen einer Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht nach dem StGB strafbar zu machen. Zumindest betreffend die subjektiven Wertungen wie "psychischer Befund", "Psychodynamik", ja selbst die Diagnose, aber auch strafrechtlich und ethische verwerfliche Selbst- und Fremdbezichtigungen, sowie insbesondere die familiären Daten, die unverrückbar mit der eigenen Biographie in meist pathologischer Beziehung stehen, steht außer Zweifel, dass mangels einer Einsichtsmöglichkeit des Patienten in diesen weitgehend subjektiven "Bericht an den Gutachter" eine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht nicht rechtswirksam ist.

Fordern die Psychotherapierichtlinien und Psychotherapievereinbarungen dennoch vom Psychotherapeuten einen "ausführlichen Bericht an den Gutachter", der detailliert einen Seelenstriptease bis in den intimsten Kern der Persönlichkeit und in die Familienstruktur hinein verlangt, so ist hierin eine strafrechtlich nach dem StGB § 240 zu ahndende "Nötigung" zu einer Straftat, nämlich der Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht nach dem StGB § 203 zu erkennen, die im Falle der Ablehnung der Psychotherapie wegen eines fehlenden Berichts ebenfalls eine Nötigung nach dem StGB § 240 darstellt und zwar dahingehend, den Psychotherapeuten an der medizinischen Behandlung eines Patienten bzw. der Durchführung eines bereits abgeschlossenen Behandlungsvertrags zu hindern und die Sorgfaltspflicht nach dem Sozialgesetzbuch V § 76 Abs 4 und dem BGB § 276 zu missachten.

Der Arzt schuldet dem Patienten eine Behandlung unter Einhaltung dieser Sorgfaltspflichten, in welche auch ein sorgfältiger Umgang mit seinen intimen Daten entsprechend der ärztlichen Schweigepflicht und den datenschutzrechtlichen Bestimmungen einzubeziehen ist.

Eine Pflicht zur Auskunftserteilung ohne Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht existiert nicht, würde auch gegebenenfalls in Anbetracht obiger Ausführungen bedeutungslos sein, da bei mehreren sich ausschließenden Pflichten der Psychotherapeut die höhere Pflicht zum Nachteil der geringeren zu erfüllen hat (NJW 1980, 24, 1352 mit Verweis auf Dreher, StGB § 32 Vorb. Anm. 11, § 203 Anm. 29 f.). Diese Einschätzung resultiert aus der Entscheidung des Landessozialgerichts Celle, wonach

"die strafrechtlichen Grundsätze der "Pflichtenkollision" zu berücksichtigen sind, ob ein Kassenzahnarzt disziplinarisch bestraft werden darf, wenn er sich weigert, der Krankenkassen Auskunft über die zahnmedizinischen Gründe für die Neuanfertigung einer Zahnprothese zu erteilen. Dafür spricht, daß der einzelne Handelnde sich nicht dem Vorwurf strafbaren Geheimnisbruchs auszusetzen braucht. Insofern muß das geltende Recht so ausgelegt werden, daß die verschiedenen Vorschriften zu dem gleichen Ergebnis führen." (Transparenzprojekte in der GKV, Arzt- und Patientendaten zwischen Anonymität und Offenbarung, rechtliche Grundlagen der Offenbarung von Patientendaten durch Kassenärzte, Wissenschaftliche Reihe des Zentralinstituts für die kassenärztlichen Versorgung der Bundesrepublik Deutschland, Band 29, Deutscher Ärzte-Verlag, Köln 1984, Seite 108).

Tangierungen des Strafrechts in Form von Falschattestierung und Körperverletzung

Im Falle der Ablehnung der Psychotherapie durch den nach Aktenlage beurteilenden "Gutachter" im Gegensatz zum "Berichtsgutachten", das die Voraussetzungen zur Psychotherapie bejaht, resultiert ein Widerspruch, der die Frage nach dem "Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse" (StGB § 279) aufwirft.

Eine Ablehnung der Psychotherapie durch den beurteilenden Gutachter" impliziert zwangsläufig den Vorwurf der Falschattestierung" gegenüber dem antragstellenden Psychotherapeuten mittels seines "Berichtsgutachtens". Da jedoch der beurteilende "Gutachter" keine persönlich erhobenen Erkenntnisse über den Patienten besitzt und alle entscheidenden sachlichen und interpretierenden Grundlagen, die falsch oder richtig sein können, aus zweiter Hand des "Berichtsgutachters" stammen - der formal eingesetzte "Gutachter" also maximal eine nicht überprüfbare und daher immer schlechtere Kopie des Originals nach Aktenlage herzustellen vermag - ist aufgrund der hieraus resultierenden Verletzung der Sorgfaltspflicht schon von daher wahrscheinlicher, dass der Gutachter" ein unrichtiges Gesundheitszeugnis erstellt hat.

Aus diesen Gründen werfen tatsächlich alle "Gutachter" ein extrem hohes Augenmerk auf die Formalien des "Gutachterverfahrens", welche es ihnen erlauben, im Falle eines datenschutzrechtlich bedingten Fortfalls der "Ausführlichkeit", z. B. der Psychodynamik oder der Familienanamnese im Kontext mit der Biographie, problemlos die beantragte Psychotherapie abzulehnen. Derartige formale Ablehnungsgründe sind Gegenstand eines Verfahrens eines betroffenen Patienten beim Sozialgericht Freiburg. (Az.: S 11 KR 1029/98)

Eine Tangierung einer strafrechtlich relevanten Körperverletzung (StGB §§ 223 und 229) erfolgt vorrangig beim Patienten im Falle der Ablehnung der Psychotherapie. Regelmäßig wird durch die Ablehnung der Psychotherapie die bereits begonnene Psychotherapie amtsautoritär beendet, da kein Psychotherapeut den Patientenkontakt nach der Erhebung der obligatorisch vor Psychotherapien vorgeschriebenen biographischen Anamnese bis zur Genehmigung der Psychotherapie unterbricht, sondern meist aus aktuellem Anlass sich krisenintervenierend voll im psychotherapeutische Prozess mit dem Patienten im Rahmen der offiziell dafür vorgesehenen maximal 5 probatorischen Sitzungen befindet.

Hat schon die "Probebehandlung", besonders bei sensiblen Patienten, die sich nicht als Versuchskaninchen verstanden wissen wollen, einen entwürdigenden Aspekt, so führt der amtsautoritäre Abbruch der Psychotherapie durch Nichtgenehmigung beim bereits psychisch kranken Patienten zu einer regelmäßigen körperverletzenden Verschlimmerung der psychischen Verfassung bis hin zur Suizidalität, die nun nicht einmal mehr adäquat behandelt werden darf.

Diese Eingriffsmöglichkeit in eine medizinische Behandlung ist umso unverständlicher, als der Gesetzgeber, sicher aus gutem Grund, den gutachtenden Ärzten des Medizinischen Dienstes die Berechtigung verweigert, in die ärztliche Behandlung einzugreifen (SGB V § 275 Abs 5 Satz 2).

Der Druck des "Gutachterverfahrens" hinterlässt auch seine psychisch belastenden Spuren beim antragstellenden Psychotherapeuten besonders im Ablehnungsfalle, da auch sein erstellter Bericht, wie beim Deutschaufsatz mit der Note 6, durchgefallen ist und er neben der Blamage vor dem Patienten auch den dekompensierten Patienten entweder auf eigene Kosten auffangen, die Behandlung abbrechen oder ihn der Psychiatrie weitergeben muß.

Dieses Damoklesschwert über der drohenden Ablehnung der Psychotherapie und die Pflicht der Offenbarung von Geheimnissen ist sicher mit ein unterschwelliger Grund, dass für ca. 75 % von 631 antwortenden Psychotherapeuten die Erstellung von "Antragsberichten" "eher eine Qual" (Köhlke a.a.O. S.59-63) im Sinne einer "psychischen Folter" und damit einer "Körperverletzung" innerhalb des Begriffs eines "strukturellen Mobbing" ist.

Nur eine persönliche Begutachtung garantiert einen effektiven Datenschutz und vermeidet weitere Tangierungen des Strafrechts

In Anwendung des Celler Urteils steht das StGB noch allemal über den Psychotherapierichtlinien und Psychotherapievereinbarungen bzw. dem SGB V. Dies trifft umso mehr zu, als der "ausführliche Bericht an den Gutachter" entsprechend der untergesetzlichen Psychotherapierichtlinien und der vertraglichen Psychotherapievereinbarungen jeweils unter Ausschluss des Patienten durch den Wortlaut des SGB V § 92 Abs 6a Satz 1 nicht gedeckt ist.

Eine inhaltliche Ausgestaltung sieht der Gesetzgeber nur für den "Konsiliarbericht" entsprechend SGB V § 92 Abs. 6a Satz 2 vor, nicht jedoch für das Gutachterverfahren, wobei es der Gesetzgeber offen lässt, ob das Gutachterverfahren überhaupt in Form einer schriftlichen Ausgestaltung durch den behandelnden Psychotherapeuten zu erfolgen hat oder ob der Gesetzgeber, wie dies für alle anderen Gutachtenerstellungen auch zutrifft, eine persönliche Begutachtung durch den Gutachter selbst vorgesehen hat.

Das im SGB V § 92 Abs 6a Satz 1 vorgeschriebene Gutachterverfahren ist nämlich problemlos unter Einhaltung aller strafrechtlichen und datenschutzrechtlichen Bestimmungen umsetzbar, wenn die Indikation einer Psychotherapie eines Patienten anhand einer persönlichen Untersuchung durch einen Gutachter durchgeführt wird und, wie bisher, nur das Ergebnis der Untersuchung, nicht aber deren intime Details, der Krankenkasse mitgeteilt werden. Dem Patienten steht es dann frei, dem Gutachter nicht alle intimen Details zu offenbaren, allerdings unter der Gefahr, dann auch nicht die Psychotherapie genehmigt zu bekommen.

In Anbetracht der Tatsache, dass ausgerechnet im allersensibelsten Bereich der gesamten Medizin ein gigantischer bürokratischer Popanz in vielfach strafrechtlich relevanter Weise den schützenswertesten Bereich der Medizin, die Psyche des Menschen, ohne Not rücksichtslos aushebelt, ist jedoch auf dieses Gutachterverfahren komplett zu verzichten, zumal in der gesamten übrigen psychiatrischen und somatischen Medizin kein Gutachterverfahren vor einer ambulanten Therapie existiert, welches, ebenfalls einzigartig in der gesetzlichen Krankenversicherung, die Prognose als Kriterium einer Behandlungswürdigkeit durch ein untergesetzliches Gremium in eklatantem Widerspruch zum Sinn und Zweck des SGB V einführt.

Folgerichtig ist im Rahmen der politisch gewollten Installation von Patientenrechten auch auf die persönliche Begutachtung durch einen "neutralen" Psychotherapeuten verzichten, da es dem Patienten in Gänze freigestellt bleiben muss, wann und vor wem er seinen „Seelenstriptease" vollzieht, ein Zwang zur Begutachtung vor einer Psychotherapie folglich auch im Sinne des GG Art 1 und 2 entwürdigend ist.

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s. hierzu auch

Locher-Weiß, Susanne, Rechtsanwältin (2001), Neun "Standard-Irrtümer" zur Schweigepflicht, www.dgvt.de

23. Tätigkeitsbericht des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holsteins, 1999, in: dgvt: Aktuelles aus der psychosozialen Fach- und Berufspolitik, Stand 26. Oktober 2001, S.50f

Weitere Hinweise werden gerne entgegen genommen und hier angefügt. csk